Sonntag, 23. Mai 2010

Happy Meal an der Leuphana

Die Neuigkeiten auf Leuphana reißen nicht ab. Was die Landeszeitung verkündet, klingt wie eine kleine Revolution: "An der Lüneburger Universität gibt's jetzt im Hörsaal auch Verpflegung" [1]. Wie kommt es dazu und was darf man sich darunter vorstellen? Ein Buffet neben dem Rednerpult etwa? Erste Klasse-Service mit Bedienung am Platz? Nein. Eine typische Szene beschreibt unsere Lokalpresse:
Der Hörsaal liegt im Halbdunkeln, Abendstimmung an der Leuphana. Neben edlem Wissensdurst meldet sich auch ein profanes Bedürfnis zu Wort: Hunger. Eine neue Form der Lehrveranstaltung nimmt darauf Rücksicht. Zum ersten Mal findet an der Uni ein "Brown Bag"-Seminar statt. Es bietet Futter für den Geist und für den Magen. [1]
In den Tüten befinden sich laut LZ "zwei eher pappige Sandwiches mit Käse und Gurke zwischen den Weißbrotscheiben sowie eine Plastikflasche mit Wasser." Innovation pur. Noch nie haben Studenten ihr Frühstücksbrot mit in den Hörsaal gebracht. Oder einen Kaffee. Oder das Franzbrötchen von Bäcker Kruse. Aber zum Glück erfindet Leuphana alles neu. Ein Seminar mit braunen Tüten, anderswo eine Tradition. Das müssen wir nachmachen. Natürlich:
"Es ist eine angelsächsische Tradition, an die wir anknüpfen wollen", erklärt Dekan Prof. Dr. Thomas Wein. "Dort gibt es vor allem um die Mittagszeit eine braune Papiertüte mit Essen, während die Professoren aus dem Nähkästchen plaudern oder über Höhepunkte ihrer Forschung berichten." Ziel sei ein lockerer akademischer Austausch zum Lunch. [1]
Während einer Vorlesung. Aha. Apropos Mittagessen in der Tüte. Das kennen wir doch von irgendwo. Kein Wunder, dass "Student" im LZ-Leserforum den Vergleich zum Happy Meal einer großen Fast Food-Kette zieht. Und es sich nicht nehmen lässt, auf einen interessanten Zusammenhang hinzuweisen:
Angesichts der Tatsache, dass 64.5 % der erwachsenen Bevölkerung in den USA übergewichtig sind und dort jährlich 300'000 Todesfälle auf Fettleibigkeit (Adipositas) zurückzuführen sind, scheint mir der Import dieser Veranstaltungsform fraglich zu sein. [1]
Gast "Benjamin" weist noch auf eine andere Problematik hin:
Die Folie, in der das Sandwich eingewickelt ist, widerspricht darüber hinaus auch noch dem Nachhaltigkeitskonzept der Universität. [1]
So kennen wir die USA: Müllberge, Einwegverpackungen, Hochschulinnovationen. Gegen den Hunger könnte man alternativ ganz klassisch a la Lüneburg auch etwas anderes unternehmen: In die Biomensa gehen, einen saftigen Salat aufs Tablett stellen und sich neben den Professor zum Mensen setzen. Small talk und lockerer akademischer Austausch inbegriffen. Aber das wäre wenig innovativ. Dann lieber braune Tüten.


Quellen:
[1] http://www.landeszeitung.de/lokales/lueneburg/news/artikel/das-seminar-fuer-hungrige-studenten/

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